redaktionell
Antrag: | Jemen- der vergessene Krieg |
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Antragsteller*in: | Dominik Reich (KV Berlin-Neukölln) |
Status: | Angenommen |
Eingereicht: | 19.02.2020, 20:53 |
Antrag: | Jemen- der vergessene Krieg |
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Antragsteller*in: | Dominik Reich (KV Berlin-Neukölln) |
Status: | Angenommen |
Eingereicht: | 19.02.2020, 20:53 |
Die Teilnahme von Frauen* und anderen marginalisierten Gruppen an WaffenWaffenstillstands- und Friedensverhandlungen zu ermöglichen, anzuerkennen und zu
WaffenWaffenstillstands- und Friedensverhandlungen können nur mit einer breiten Einbindung der jemenitischen Gesellschaft erfolgreich sein. Eine nachhaltige Lösung kann nur
Nach der Ermordung des ehemaligen Präsidenten des Jemen, Ali Abdullah Saleh, und
der weiteren Zersplitterung der Konfliktparteien ist eine langfristige Lösung
für den seit 2015 andauernden bewaffneten Konflikt im Jemen in weite Ferne
gerückt. Die Situation im Jemen ist laut den Vereinten Nationen die schlimmste
humanitäre Katastrophe seit dem zweiten Weltkrieg. Um eine Normalisierung der
humanitären Katastrophe zu verhindern, fordern wir eine konsequente Verurteilung
und Sanktionierung der illegalen Blockaden humanitärer Hilfsgüter, einen Stopp
der Waffenlieferungen an die beteiligten Kriegsparteien und eine umfangreiche
und feministische Herangehensweise an mögliche Waffenstillstandsverhandlungen,
Friedensgespräche und Überlegungen zur Postkonfliktphase.
Laut UNICEF benötigen rund 80% der jemenitischen Bevölkerung dringend humanitäre
Hilfeleistungen. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate setzen
dabei die gezielte See- und Luftblockade von humanitärer Hilfe als perfide
Kriegstaktik ein. Dieses Vorgehen ist völkerrechtswidrig und verstößt gegen die
Genfer Konventionen sowie die Sicherheitsratsresolutionen 2140 und 2216.
Zu den weiteren Verstößen aller Kriegsparteien gehören gewaltsame Angriffe auf
friedliche Demonstrant*innen sowie die Blockade elektronischer Kommunikation,
Verschwindenlassen, Folter und außergerichtlichen Tötungen und der Einsatz von
Kindersoldat*innen. Reporter ohne Grenzen geht von eine Dunkelziffer
verschwundener Personen aus, unter anderem geflüchteter und getöteter
Journalist*innen. Eine flächendeckende Dokumentation und Information über
Menschenrechtsverletzungen kann nicht gewährleistet werden.
Vor allem Kinder leiden stark unter der im Jemen vorherrschenden Gewalt. Ihr
Recht auf Leben, Gesundheit, Bildung, sowie ihr Schutz vor Missbrauch,
Zwangsrekrutierung und Zwangsarbeit wwerden während des bewaffneten Konflikts
nicht gewährleistet. Mehr als 12 Millionen der jemenitischen Kinder benötigen
dringende humanitäre Hilfe. Unterernährung, der fehlende Zugang zu Bildung und
die Traumatisierung durch ständige Konfrontation mit Gewalt lassen im Jemen eine
ganze Generation verelenden.
Wir verurteilen die Politik Saudi-Arabiens, der Vereinigten Arabischen Emirate
und des Iran, die im Jemen einen Stellvertreter*innenkrieg auf dem Rücken der
Bevölkerung austragen. Wir bekräftigen die Forderungen der BDK 2018 und fordern:
Die Bundesregierung auf, auf alle Kriegsparteien einzuwirken, den Zugang
für Hilfs- und Lebensmittellieferungen uneingeschränkt sicherzustellen;
Die Bundesregierung auf, sich für targeted sanctions gegen die
Verantwortlichen der Kriegsparteien einzusetzen, die Schlüsselpositionen
in der Entscheidung für die Blockade humanitärer Hilfeleistungen tragen.
Dies ist auch in den Sicherheitsratsresolutionen 2140 und 2216
vorgesehen.Die Wahrung des humanitären Völkerrechts und menschenrechtliche
Grundsätze müssen vor anderen politischen Abwägungen der EU und der
Bundesregierung hinsichtlich der im Krieg beteiligten Staaten stehen;
Alle Beteiligten auf, die besonderen Bedürfnissen der von der humanitären
Krise im Jemen betroffenen Kinder bei Hilfeleistungen besonders zu
berücksichtigen
Um die andauernde humanitäre Katastrophe im Jemen nicht zu verschlimmern, muss
die Bundesregierung einen sofortigen Stopp von Waffenexporten an die
Kriegsparteien umsetzen. Zu den von der EU belieferten Kriegsparteien zählt die
arabische Koalition aus Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate,
Ägypten und sowie der Sudan.
Ein Bericht der Expert*innenkommission des Menschenrechtsrates der Vereinten
Nationen (VN) vom August 2018 bestätigt mehrfach Brüche des humanitären
Völkerrechts seitens der kriegführenden Parteien. Die Prämisse, zivile Opfer zu
meiden, wurde von keiner der Kriegsparteien eingehalten. Dabei wurden mehrfach
zivile Infrastruktur wie Märkte, Krankenhäuser und Schulen zur Zielscheibe der
Auseinandersetzungen. Recherchen von German Arms sowie der investigativen
Plattform Disclose belegen deutlich die Nutzung von deutschen und französischen
Waffen durch die im Jemenkrieg beteiligte arabischen Allianz.
Lieferungen an die Kriegsparteien verletzen die politischen Richtlinien der
Bundesregierung zu Rüstungsexporten, sowie mehrere vom Europäischen Parlament
gefassten Beschlüsse, darunter der Beschluss 2017/2849. Diese sehen vor,
Rüstungsexporte an die im Jemenkrieg beteiligten Staaten unmittelbar zu stoppen.
Die temporär eingeführten Exportstopps an Saudi-Arabien im November 2018 haben
dabei nicht zu einem langfristigen und umfangreichen Stopp der Exporte geführt.
Erstens wurden trotz Exportstopp sondergeschützte Geländewagen im Wert von rund
800.000€ exportiert. Zweitens betraf der Exportstopp keine
Gemeinschaftsprojekte, sodass die Lieferung von deutschen Zwischenprodukten an
Waffenlieferant*innen in Frankreich und Großbritannien weiter ging. Drittens
stoppte die Bundesregierungen nicht die Waffenlieferungen an die Vereinigten
Arabischen Emirate, die als Teil der arabischen Koalition mit Saudi-Arabien im
Jemenkrieg agieren und allein im ersten Halbjahr 2019 Waffenlieferungen in
erschreckender Höhe von 200 Millionen Euro aus Deutschland erhielten.
Wir bekräftigen die Forderungen der BDK 2018 und fordern:
Einen dauerhafter Stopp von Waffenexporten an die im Jemenkrieg
beteiligten Staaten zu verhängen, keine neuen Genehmigungen von
Waffenlieferungen an diese Staaten zu erteilen, bereits erfolgte
Genehmigungen zu widerrufen und keine weiteren Ausfuhrgenehmigungen zu
erteilen. Eine de-minimis-Regelung für die Lieferung von Zwischenteilen an
Waffenproduzent*innen außerhalb Deutschlands lehnen wir ab;
Sich gegenüber weiterer Waffenlieferant*innen, inklusive der USA,
Großbritannien und Frankreich, für einen Stopp der Lieferungen
einzusetzen.
Im ersten halben Jahr des Konflikts ist die geschlechtsspezifische Gewalt in
Jemen über 70 Prozent angestiegen. Von Kinderehen waren 2017 14 Prozent mehr
Mädchen* unter 18 betroffen als noch im Jahr zuvor. Das hängt damit zusammen,
dass sich ökonomische Situation von Frauen* und Kindern aufgrund traditioneller
Familienrollen rapide verschlechtert, sobald der Ehemann und Familienvater aus
kriegsbedingten Gründen ausfällt. Jemen ist derzeit auf dem letzten Platz des
Women, Peace and Security Index des Georgetown Instituts - hinter Syrien und
Afghanistan. Von dem Index werden unter anderem die durchschnittliche Anzahl an
Schuljahren, die Beschäftigungsquote, die Verbreitung der Handynutzung durch
Frauen*, die finanzielle Inklusion, der Anteil an Parlamentssitzen und
Diskriminierung erfasst - in allen diesen Kategorien schnitt Jemen im Jahr 2019
am schlechtesten ab. Dabei betrifft auf Geschlecht basierende Diskriminierung
nicht nur Frauen*, sondern oft auch inter* und trans* Personen. Genaue Angaben
zu diesen Personengruppen sind aufgrund fehlender Datenerhebung leider nicht
möglich.
Für eine Nachkriegsordnung sind die Folgeschäden eines bewaffneten Konfliktes
mitzudenken: die Traumatisierung eines großen Teils der Bevölkerung erhöht das
Risiko von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt. Hier müssen Prävention
und Nothilfe gewährleistet werden.
In den letzten Jahren werden Frauen* zunehmend in zivilgesellschaftlichen Räumen
aktiv und nehmen dabei beispielsweise Einfluss auf Entwaffnung, Demobilisierung
und Reintegration und die Reduktion von Waffenproliferation. Auf kommunaler
Ebene arbeiten Frauen* in einigen Situationen an Frieden, indem sie bewaffnete
Akteure konfrontieren und informell Konflikte schlichten. Zusätzlich zeigt sich,
dass die Frauen* Bewusstsein für Friedensarbeit in lokalen Gemeinschaften
schaffen und diese aktiv vorantreiben - so gibt es bereits Beispiele, in denen
Frauen* Friedensverträge zwischen ihren Gemeinschaften und Rebellengruppen
vermittelt haben. Bisher haben die VN Frauen* oder Frauen*rechtsgruppen jedoch
nicht am offiziellen Friedensprozess beteiligt, was einem umfassenden,
inklusiven und nachhaltigem Frieden klar im Weg steht und die Chancen von
dauerhaftem Erfolg mindert.
Ohne die Frauen* ist ein nachhaltiger Frieden nicht denkbar. Doch feministische
Friedenspolitik sollte auch immer intersektional gedacht werden: Personen, die
aufgrund von - einschließlich, aber nicht ausschließlich - ihrer sexuellen
Orientierung, Hautfarbe, Behinderung, Ethnie, Religion oder ökonomischen Lage
marginalisiert oder mehrfach diskriminiert werden, müssen am Friedensprozess
beteiligt werden. Nur so kann ein Frieden inklusiv und damit nachhaltig
gestaltet werden.
Das Friedenspotential verschobener Geschlechterhierarchien durch den Krieg muss
genutzt und Frauen* und andere marginalisierte Gruppen für einen Friedensprozess
und die daraus resultierende Nachkriegsordnung ermächtigt werden. Daher fordern
wir:
Die Teilnahme von Frauen* und anderen marginalisierten Gruppen an WaffenWaffenstillstands-
und Friedensverhandlungen zu ermöglichen, anzuerkennen und zu
unterstützen;
Frauen* in kommunalen Gemeinschaften durch finanzielle und technische
Unterstützung zu stärken. Dazu gehören
die Sensibilisierung und Ausbildung zum Thema Frauen*, Frieden und
Sicherheit,
Mediations- und Verhandlungstrainings
sowie die Vernetzung verschiedener Frauen*gruppen im Jemen und in
anderen Konfliktkontexten;
Die Situation von inter* und trans* Personen, die in den Statistiken
bisher nicht aufgegriffen werden, zu untersuchen und aktiv zu
unterstützen.
Trotz der festgefahrenen Situation im Jemen sind Reflektionen über die
Gestaltung der Post-war-Phase wichtig. Aktuell kann durch das Sammeln von Daten
vermutlicher Kriegsverbrechen dazu beigetragen werden, eine angemessene Ahndung
dieser nach Ende des Konflikts zu ermöglichen. Die unrechtmäßigen Angriffe auf
zivile Ziele, die Zwangsrekrutierung von Kindersoldat*innen und das Foltern und
Verschleppen von Dissident*innen, müssen in einer Post-Konfliktphase in einem
Prozess der Gerechtigkeit aufgearbeitet werden.
WaffenWaffenstillstands- und Friedensverhandlungen können nur mit einer breiten Einbindung der
jemenitischen Gesellschaft erfolgreich sein. Eine nachhaltige Lösung kann nur
gefunden werden, wenn die Interessen sunnitischer und schiitischer
Bevölkerungsgruppen sowie religiöser Minderheiten, und auch weitere regionale
Präferenzen berücksichtigt werden. Um die divergierenden Interessengruppen in
einem Staat zu vereinen, könnten verschiedene regionale Gestaltungs- und
Entscheidungsmöglichkeiten eingeräumt werden. Die geostrategischen Vorteile der
Küstenregion um Aden müssen in Friedensverhandlungen in gerechter Weise
berücksichtigt werden.
Die Verteilung von natürlichen Ressourcen könnten in einer möglichen regionalen
Aufschlüsselung berücksichtigt werden. Auch der Jemen ist von der Klimakrise in
Form von Dürren und Wüstenbildung auf der einen Seite, und starken
Überschwemmungen auf der anderen Seite, betroffen. Die Bevölkerung sollte in die
Diskussion um Problembereiche wie die Wasserressourcen des Landes mit
eingebunden werden, um die Entstehung neuer Konfliktherde zu vermeiden.
Deshalb fordern wir:
Die EU auf, in einer Rolle als Mediatorin und in Zusammenarbeit mit den
Vereinten Nationen die Initiative für neue Friedensgespräche zu
übernehmen, deren erstes Ziel ein schnellstmöglicher Waffenstillstand und
die Gewährung humanitären Zugangs sein muss. Die Beteiligung von FIT-
Personen an den Friedensgesprächen muss dabei durch die VN unterstützt
werden.
Die VN auf, die divergierenden regionalen Interessensgruppen in der
jemenitischen Gesellschaft bei Verhandlungen über die Zukunft des Jemen
gleichberechtigt einzubinden.
Die Bundesregierung und die EU auf, Untersuchungen und Datenbanken, welche
die Ahndung der Kriegsverbrechen nach Ende des Konflikts ermöglichen,
gezielt zu unterstützen.
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